Freitag, 1. April 2011

ein schritt nach vorn

Doch das, was dann kam war gar nicht so spektakulär wie Amélie es sich vorstellte. Die Tür, die vermutlich zu dem Behandlungszimmer führt öffnet sich ganz langsam. Mit einer Gemütlichkeit, die an eine Schnecke erinnert, schiebt sich ein Herr mit zersaustem Haar, langem Bart und einer Brille in das Wartezimmer. Amélies Blick fällt als erstes auf die Birkenstock-Schuhe. Hab ich es mir doch gedacht. Genau so habe ich mir einen Therapeuten vorgestellt. "Sie sind Frau... äähhhmm... ja, Hansen, oder?" Dabei hebt der Therapeut den Blick von seinem Zettel, auf dem wohl die Verrücktheit meiner Person in Kurzfassung stehen. So ungefähr: Amélie Hansen, 28, magersüchtig, beziehungsgestört, ängstlich, panisch, neigt zu dramatischen Auftritten. 
Er lächelt ein breites Lächeln. "Jap, dass bin ich." sagt Amélie und erhebt sich von dem unglaublich bequemen Stuhl. Hoffentlich sind die Stühle in dem Behandlungsraum genauso bequem. Oder vielleicht darf ich mich sogar hinflätzen. Da muß ich dann aber aufpassen das ich nicht einschlafe...., denkt sich Amélie. "Na, hereinspaziert und nehmen Sie Platz.", sagt der Therapeut in einer sehr ruhigen Stimme. Aber nett klingt irgendwie anders. Also ich meine nett so wie Popo-puder nett. Er klingt irgendwie bestimmt. Ja, distanziert. 
Es ist ja nun mal so, dass man die Sympathie für einen Menschen in den ersten 10 Sekunden entdeckt. Naja und wenn da eben nix knallt, dann wird da wohl später auch nix knallen. Ob das bei Therapeuten auch so sein soll??
Der Behandlungsraum ist nicht groß. Aber auch nicht klein. Da ist eine ganze Wand voller medizinischer Schmöker. Das ist aber auch das Einzige was an eine Arztpraxis erinnert. Es stehen noch zwei Stühle und ein Sofa in dem Raum. Alle drei Möbelstücke in dem schönen, gemütlichen braunen Lederbezug aus dem Wartezimmer. Die Wände und Regale sind voll von exotischen Erinnerungen. Erinnerungen, die von einem langen Leben mit vielen Eindrücken und Erfahrungen erzählt. 
"Dann setzten Sie sich doch bitte mal da hin. Der Stuhl läßt sich übrigens nach hinten stellen, wie es Ihnen bequem ist." Na dachte ich es mir doch das ich liegen würde. Ah ich habe es gewußt das die Therapeuten-Stories nicht von irgendwoher kommen.
Nachdem sich Amélie schön brav auf den Stuhl gesetzt hat, sitzt sie da und wartet. Ihr langes schwarzes Haare fällt ihr ins Gesicht. Sie streicht es sich hinter das Ohr, mit den Fingern, dessen Fingernägel ebenso schwarz sind wie das Haar. 
Er starrt. Amélie starrt zurück. Wird unruhig. spielt mit ihren Händen. Spielt mit ihren Haaren. Nach einer gefühlten Ewigkeit, der erste Satz: "Was führt Sie zu mir?"
Amélie sieht ihm fest in die Augen. Denkt irgendwie das er vielleicht durch ihre Augen in ihre kaputte Seele sehen kann und automatisch weiß, was sie zu ihm führt. Es sind viele Dinge. Es ist ein halbes Leben. Es ist ihre Geschichte.

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