Freitag, 17. September 2010

liebster schmetterling - die zweite

Liebster Schmetterling,

heute musste ich an dich denken, als sich einer deiner Artgenossen auf meinen Zeh setzte. Er hat mich gekitzelt und ist davon geflogen. Doch natürlich denke ich nicht nur dann an dich. Als mich meine Mutter heute Morgen fragte, ob ich ein hart gekochtes Ei möchte, musste ich unwillkürlich daran denken, dass wir nicht selten zwei Frühstückseier morgens gegessen haben. Der Begriff „morgens“ passt aber auch nur in unsere Definition von morgens, denn meistens war es schon mittags. Und du wusstest genau, wie ich mein Ei mag. Genauso wie du deines. Das Eiweiß fest und den Dotter flüssig, damit man ihn auf das Brot verteilen kann, dass man davor mit Butter bestrichen hat. Oder in deinem Fall mit Marmelade. Ist es nicht komisch, dass wir in unserer unbedarften Beziehung keinerlei Angst hatten, die Seiten dem anderen zu zeigen, die andere komisch gefunden hätten? Wie zum Beispiel unser manchmal eher seltsames Essverhalten. Ei mit Marmelade, Wurst mit Nutella, Nudeln mit Marmelade, Käse mit Marmelade. Das zählt auch zu den Dingen, die mir fehlen. Die kleinen Ungereimtheiten, die den Menschen zu dem machen, was er ist, ein Individuum, das man aufgrund der Einzigartigkeit liebt. „Heute müssen wir nicht beim Frühstück reden, oder? Hast du ein Problem, wenn wir die Zeitung kaufen und lesen?“, dass hast du mich einmal gefragt. Warum mir der Satz so im Gedächtnis geblieben ist? Weil es der Moment war, an dem wir nicht zwingend reden mussten, um den Raum zwischen uns zu füllen. Weil es etwas gab, das den Raum füllte. Ganz selbstverständlich, ganz unbeschwert. Wofür manche Menschen ein halbes Leben benötigen, nämlich die Stille zwischen einander nicht als befremdlich zu empfinden, sondern sie miteinander zu genießen, brauchten wir nur Tage. Das Ergebnis war, dass die Stille uns nicht störte, sondern wir sie mit einem Schmunzeln, einem Räuspern, über das gerade Gelesene füllten und uns schlussendlich von dem erzählten, was wir gerade gelesen hatten. Doch selbst wenn die Stille zwischen uns geblieben wäre und jeder sein Bestreben zu lesen fortgeführt hätte, wäre uns die Stille nicht unangenehm geworden. Wir hätten sie gemeinsam genossen, denn sie zeigt uns, dass nicht die Worte unsere Beziehung definieren, sondern das gemeinsam beieinander sein.

Dein Mädchen mit dem rosa Springseil

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